Trier. Volkswirtschaftler der Universität Trier schließen Lücke in theoretischen Modell und berechnen das realpolitische Verhalten von Zentralbanken. Durch den Einbezug der Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung der Wirtschaft können sie deren Verhalten genauer vorhersagen.

Die Erwartungen über zukünftige Entwicklungen der Wirtschaft spielen in der Geldpolitik eine zentrale Rolle. Typischerweise stellen sich die Effekte geldpolitischer Entscheidungen erst nach 12 bis 24 Monaten in der Realwirtschaft ein. Das bedeutet, wenn eine Zentralbank heute eine Entscheidung über den Leitzins oder andere geldpolitische Maßnahmen trifft, wird diese Entscheidung die Inflation und das Bruttoinlandsprodukt erst mit einer erheblichen Zeitverzögerung beeinflussen. Somit muss die Zentralbank ihre Entscheidungen auf Basis ihrer Erwartungen treffen, die unsicher sind.

Das Neu-Keynesianische Modell, das als formalisierte Basis für geldpolitische Entscheidungen dient, abstrahiert aber weitestgehend von der Unsicherheit makroökonomischer Erwartungen. Diese Vereinfachung hat bereits vor Ausbruch der Finanzkrise der damalige Präsident der US-Amerikanischen Federal Reserve, Alan Greenspan, kritisiert. Er führte an, dass Zentralbanker in der Praxis nicht nur die Erwartungen an sich, sondern auch die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung im Blick haben (American Economic Review 2004).

Diese Lücke zwischen der geldpolitischen Praxis auf der einen Seite und den theoretischen Modellen für geldpolitische Entscheidungen auf der anderen Seite schließen Christian Bauer und Matthias Neuenkirch in ihrer im Journal of International Money and Finance erschienen Studie.

In einem ersten Schritt leiten die beiden Trierer Volkswirtschafts-Professoren eine Erweiterung des Neu-Keynesianischen Modells her, die die in der geldpolitischen Praxis offensichtlich relevante Unsicherheit über die makroökonomischen Erwartungen explizit miteinbezieht. In einem zweiten Schritt testen die beiden Forscher ihr erweitertes Modell empirisch für die Bank of England, die Europäische Zentralbank und die Federal Reserve.

Bauer und Neuenkirch zeigen in ihrer durch die Deutsche Bundesbank, der Hauptverwaltung in Rheinland-Pfalz und dem Saarland geförderten Studie, dass die Modellerweiterung das tatsächliche Verhalten von Zentralbanken besser beschreiben kann als ein Modell ohne Einbezug von Unsicherheit. Für die Europäische Zentralbank finden die beiden Forscher heraus, dass sie in Zeiten höherer Unsicherheit über die Entwicklung der Inflation in der Zukunft dazu tendiert, den Leitzins zu senken bzw. die unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen auszuweiten.

Der vollständige Aufsatz kann unter http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0261560617301389 abgerufen werden. Eine frei zugängliche Arbeitspapier-Version steht hier bereit:

https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb4/prof/VWL/EWF/Research_Papers/2015-05.pdf.

 

 

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CvD: Sven Herzog Saarbrücken Trier