v.l.n.r. Dr. Theophil Gallo, Ulli Wagner, Martin Schlack, Dr. Eva Wagner, Martin Schlack, Lothar Keller, Ayca Tolun, Uwe Conradt

 

Demokratie und Medien: Pressefreiheit in unsicheren Zeiten – Fachkonferenz zum Internationalen Tag der Pressefreiheit

Saarbrücken. Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit am 3. Mai hat die Landesmedienanstalt Saarland gemeinsam mit dem Saarländischen Journalistenverband und der Siebenpfeiffer-Stiftung zu einer Veranstaltung zum Thema Demokratie und Medien eingeladen.

Initiator der Veranstaltung Uwe Conradt, Direktor der LMS, nutzte die Gelegenheit, um den Journalisten und allen anderen Medienschaffenden für ihre Arbeit zu danken. Angesichts der Vielzahl an repressiven Maßnahmen durch ausländische staatliche Stellen gegenüber den Medien betonte er die Bedeutung der Staatsfreiheit der Medien, aber auch der Staatsferne der Medienregulierung im demokratischen Rechtsstaat: „Jeder Journalist muss das Recht haben, frei und ohne Angst berichten zu können. Eine Beschränkung der Pressefreiheit ist immer auch eine Beschränkung der Demokratie.“

Dr. Eva Wagner beleuchtete sowohl die grundrechtlichen Garantien für die Informationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger als auch die Notwendigkeit unabhängiger Medien, die hierfür eine „grundsätzlich diskriminierungsfrei erschlossene Informationsgrundlage“ zu schaffen hätten. Anderenfalls liefe dieses Grundrecht ins Leere. Insoweit könnten die Massenmedien als „kollektives Wissen der Gesellschaft“ angesehen werden. Ihnen komme eine gesellschaftliche Aufgabe zu bei der Gewährleistung eines freiheitlichen Meinungsbildungsprozesses. „Sauber recherchierte Berichte und darauf aufbauende begründete Meinungsäußerungen haben auch in der sog. Informationsgesellschaft nichts von ihrem Wert eingebüßt“, so die Expertin für Medienrecht, Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Diesen Ansatz griff der Fernsehjournalist und Redakteur des RTL-Nachtjournals, Lothar Keller, auf. Einer vorgeblichen oder tatsächlichen „Glaubwürdigkeitskrise der Medien“ könne in „postfaktischen Zeiten“ mit professioneller Ausbildung, verantwortungsvollem Journalismus und der Einhaltung von Qualitätsstandards in der Berichterstattung erfolgreich begegnet werden. Lothar Keller: „Das Internet hat die Schnelligkeit im Journalismus neu definiert. Diesen Wettbewerb können die klassischen Medien nicht gewinnen. Wir verlieren an Glaubwürdigkeit, wenn wir beim Versuch, genauso schnell zu sein, genauso viele Fehler machen. Gewinnen können wir nur, wenn wir die Menschen inhaltlich überzeugen, ihnen professionelle Einordnung der Informationen bieten, und wenn sie sich auf uns verlassen können. Unser Motto sollte daher sein: `Be first, but be first right!´“

Ein engagiertes Plädoyer gegen Einschränkungen von Informations- und Medienfreiheiten und für einen freien und unabhängigen Journalismus hielt Ayca Tolun. Die WDR-Redakteurin war Gründungsmitglied der WDR-Welle Funkhaus Europa (jetzt Cosmo) und arbeitete dort u.a. in der „Türkischen Redaktion“. Zur Lage der Medien in der Türkei und der Rolle türkischsprachiger Medien in Deutschland konstatierte sie: „Die Presse(Un)freiheit in der Türkei, hat massive Auswirkungen auf die Deutsch-Türken in Deutschland. Und somit auch auf die innenpolitischen Debatten hierzulande. So ist z.B. die jetzt gerade wieder aufgepoppte Debatte um die Leitkultur mit ein Ergebnis der Entwicklungen in der Türkei. Deutsch-Türken informieren sich in Sachen Türkei fast ausschließlich über türkische Medien. Die türkischen Medien haben die türkischen Wähler des Referendums in Deutschland gleichermaßen wie die Wähler in der Türkei beeinflusst. Die große Zahl der Ja-Stimmen aus Deutschland hat die deutsche Politik erschreckt. Die Folge: erst die Doppelpass Debatte. Jetzt die Leitkultur-Debatte!“

Über „Information und Desinformation angesichts von Fake News und staatlicher Propaganda“ sprach die Vorsitzende des Saarländischen Journalistenverbandes Ulli Wagner mit Martin Schlak und Andre Wolf.

Die SR-Journalistin, Mitinitiatorin und Moderatorin der Veranstaltung, befragte den Redakteur des Reportagemagazins GEO, Martin Schlak, über seine Erfahrungen während eines Undercover-Praktikums in der Berliner Redaktion von Russia Today. Als Fazit seiner Recherche kam Schlak zu der Bewertung: „Wahrheit ist das höchste Gut im Journalismus. Sie abzubilden, ist die wichtigste Aufgabe eines Journalisten. Gelenkte oder propagandistische Medien wie RT Deutsch produzieren dagegen alternative Wahrheiten, die besser in ihr Weltbild passen. Sie wollen den Glauben daran auflösen, dass es so etwas wie die wahre Version eines Ereignisses überhaupt gibt.“

Über den Umgang mit Wahrheit und Möglichkeiten der Entlarvung von Falschmeldungen im Internet berichtete Andre Wolf, Content- und Social-Media Coordinator der Initiative Mimikama – Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch mit Sitz in Wien. „Unsere Arbeit ist nicht als Hochglanzprojekt am Reißbrett entworfen worden, sondern selbst aus der Not entstanden. Mimikama hat eine Lücke gefüllt, welche den Verein selbst hervorgebracht hat“, so Wolf. „Das flächendeckend verfügbare Internet, sowie die einfache Teilnahme an sozialen Netzwerken hat zu einer sehr schnellen Kommunikationskultur geführt, in welcher durch vorschnelles Kommunizieren nicht nur von Privatpersonen, sondern häufig auch durch Medien die inhaltliche Qualität leidet.“ Seine Einschätzung zur Lage der heutigen Informationsgesellschaft lautete: „Wir leben nicht mehr in den Achtziger- oder Neunzigerjahren des letzten Jahrtausends. Wir können und dürfen nicht mehr zwischen »realer« und »virtueller« Welt unterscheiden, denn wir sind mittlerweile so weit vorgedrungen, dass beide Welten ineinander übergegangen sind.“

In seinen Schlussworten betonte Dr. Theophil Gallo, Mitveranstalter der Tagung, Landrat des Saarpfalz-Kreises und Vorsitzender der Siebenpfeiffer-Stiftung: „Je mehr z.B. technische Möglichkeiten die Erstellung und Verbreitung unwahrer, verfälschter oder gefälschter Informationen zulassen, desto mehr muss auf die Authentizität von Quellen und auf deren unbeschränkte Zugänglichkeit, Verfügbarkeit sowie die ungestörte Arbeit unabhängiger Journalisten geachtet werden. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hart erkämpftes Gut, das es stets zu verteidigen gilt – insbesondere in unserer heutigen Gesellschaft, in der leider oftmals dessen Bedeutung nicht hoch genug geschätzt wird. Die Siebenpfeiffer-Stiftung wird deshalb aus der demokratischen Tradition heraus das Thema ‚Demokratie und Medien‘ gemeinsam mit dem Journalistenverband und der Landesmedienanstalt Saarland auch in Zukunft weiter bearbeiten.“

 

 

Foto: Pasquale D’Angiolillo